mehr TECHNIK: Interview Lichtdesigner

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Felix Richter (gen.Pi) – Lichtdesign & Tracking

Fakten, Gedanken, Hintergründe von und zu LICHT

Gen.Pi (Felix Richter) studierte Medienkunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Der Visual Artist arbeitet mit Live-Videomanipulation, Projection Mapping und Lichtdesign. Seit mehreren Jahren ist er Mitglied des Kollektivs Artes Mobiles, einer mobilen Theatergruppe, der audio-visuellen Konzertreihe Bells Echo und der Band DŌMU. Für den Flügelschlag Werkbühne e. V. hat er bereits 2019 bei der Produktion Clara im Rückspiegel mitgewirkt und ist nun bei LICHT für die Lichtchoreografie und das Live-Tracking zuständig.



Felix, du bist Lichtdesigner und kreierst und formst Lichtatmosphären. Dein Part ist wesentliches Gestaltungselement der Inszenierung. Wie entstand die Konzeption zu diesem Projekt?


[FR] Ich hatte schon lange den Wunsch, eine neue Technik auszuprobieren. Als Ilka und Anja mit dem Projekt LICHT auf mich zukamen, war da sofort die Idee, mit Tracking zu arbeiten – das Thema drängt sich förmlich auf: Coronazeit, Abstände, jedem seinen eigenen Space …

Der interaktive Teil beim Tracking hat eine starke Eigendynamik. Es ist ein Experiment. Was macht das Publikum, wie funktioniert die Technik. Mich interessiert die Schnittstelle Mensch-Maschine – also verschiedene Seiten, die gegeneinander und miteinander arbeiten. Bei LICHT ist dies ein wichtiger Punkt. Das Ganze ist ja auch musikalisch so aufgeteilt in klassischen analogen Part und elektronischen.

Was war denn zuerst da: das Licht oder die Musik?

[FR] Es war eine Parallelentwicklung. In dem Moment, als Ilka und Anja das erste Mal mit mir sprachen, war ja schon klar, in welche musikalische Richtung es gehen wird. Es ist eher so Hand in Hand entstanden. Meistens ist umgekehrt, dass das Musikalische komplett fix ist und sich das andere dazu entwickelt.

War der Gedanke, das Publikum einfach laufen zu lassen, von Anfang an da?

[FR] Es gab von vorneherein den Wunsch, durch das Tracking einen immersiven Aspekt mit hineinzubringen. Als sich im letzten Jahr die Situation mit Corona zuspitzte und es immer mehr um Distanzierung ging, wurde es zunehmend interessant zu sehen, was auf engem Raum passiert, wo einen der eigene Space sichtbar begleitet. Was geschieht, wenn die Leute frei agieren können, wo kommen sie sich nahe, bleiben sie in ihren Bereichen? Auch ein Experiment zu schauen, inwieweit sich die ganze Pandemie-Situation schon in die Köpfe reingepflanzt hat und man das von außen in der Performance wahrnehmen kann.

Als Nerd interessiert natürlich das Spiel mit der Technik. Wie wird getrackt?

[FR] Ich habe verschiedene Technologien durchgespielt. Zunächst gab es die Option mit einer Kamera, die die Szenerie filmt und ein Referenzbild vom leeren Raum erstellt. Infolge erkennt die Technik, wenn jemand ins Bild läuft, eine Information im Bild, die vorher nicht da war. Allerdings kann so nicht mehr differenziert werden, was Projektion und was Mensch ist. Also war zunächst alles hinfällig.
Im nächsten Schritt habe ich eine Wärmebildkamera ausprobiert. Das Ergebnis war auch nicht zufriedenstellend, da so kein individuelles Tracking verlässlich möglich ist.

Letztlich kam ein „geklautes“ VR-System zum Einsatz, bei dem normalerweise Referenzpunkte an verschiedenen Körperstellen getrackt werden. Bei LICHT erhält jede Person nur einen Tracker. Vier Infrarotlaser in den Ecken der Fläche schicken je einen unsichtbaren Laserstrahl in den Raum und die Sensoren der Tracker berechnen den Standpunkt der jeweiligen Person. Die Projektion erfolgt von oben, somit hat jede Person ihren eigenen Lichtkegel, mit dem sie spielen kann.

Das interaktive Moment, also die Verhaltensweise des Publikums bedingt die technische Abstimmung und die Choreografie. Was passiert da auf der Fläche?

[FR] Es gibt verschiedene Phasen in der Choreografie. Es gibt abwechselnd Momente, in denen man selbst mit einwirken kann, und Momente, wo es entkoppelt ist.
Wenn die Leute kollidieren oder sich kreuzen, passiert zunächst nichts, jeder behält seinen eigenen Space – man wird nicht „bestraft“ oder ähnliches. Im Verlauf der Vorstellung kann es jedoch vorkommen, dass die Fläche verschwindet. Dann muss man sich bzw. seinen Space erst neu finden. Das ist kurz irritierend, es entsteht ein Gefühl der Verlorenheit und man muss sich im Raum neu verorten.
Mit der „Verhaltensweise“ des Lichts haben wir verschiedentlich herumgespielt und sind sicher noch nicht am Ende der Entwicklung.

Als 80er-Jahre-Teenie ist mir das Herz aufgegangen, als Nebelschwaden Einzug hielten. Es macht Spaß, die sich verändernde Marmorierung des Lichtkegels zu beobachten. Das Lichtspiel wird magisch.

[FR] Ich habe das bei einem Projekt im Hamburger Bahnhof in Berlin vor 6–7 Jahren erlebt, bei dem ganz einfache Linienstrukturen projiziert und der ganze Raum gehazed wurde. Der Effekt ist enorm: Am Anfang ist alles sehr flächig, dann geht plötzlich der Haze los. Licht wird zum Volumen, wird zur Skulptur und es hebt sich der Blick und das Ganze bekommt eine ganz andere Dimension.


Das Interview wurde geführt von Nadine Kube, Marketing & PR bei der Werkbühne Leipzig.


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